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27.09.2022

Wir müssen Design mehr Verantwortung zusprechen

Wir müssen Design mehr Verantwortung zusprechen Barbara Lersch | Foto: Ralf Gutjahr

Barbara Lersch war eine von sieben Juror*innen des Mia Seeger Preises 2022. Wie war es? Wir haben nachgefragt.

Barbara Lersch ist seit 2016 als Projektleiterin für Workshops, Veranstaltungen und Förderprogramme bei der Hans Sauer Stiftung in München aktiv. Dort widmet sie sich in erster Linie Themen rund um das Social Design und die Circular Society. Eine ideale Expertise also für das, was beim Mia Seeger Preis zählt. Also waren wir neugierig.

 

Hallo Frau Lersch, was beschäftigt Sie gerade?

Die Hans Sauer Stiftung hat 2018 ein social design lab gegründet. Im Rahmen dieses Labs beschäftige ich mich damit, wie wir mit Gestaltung(smethoden) gesellschaftliche Veränderungsprozesse anstoßen können. Das Ziel ist klar: unsere Gesellschaft zukunftsfähig machen. Aktuell liegen die Hauptschwerpunkte meiner Arbeit auf Circular Society, Design für die Große Transformation sowie Mobilität und ihre Auswirkung auf die Gesellschaft. 

 

Was hat Sie bewogen, beim Mia Seeger Preis als Jurorin mit dabei zu sein?

Ich finde das Auszeichnen von Studierendenarbeiten eine sehr wichtige Aufgabe. Studierenden schon in den ersten Momenten ihrer beruflichen Entwicklung ein positives Feedback mitgeben zu können, sie in ihrer Arbeit, Vorgehensweise und in ihrer Themenwahl zu bestärken, kann sehr wirkungsvoll sein. Zudem macht es große Freude, so viele spannende Arbeiten, Projekte und auch Menschen kennenzulernen. Im Austausch über die Einreichungen erfährt man viel über den Zustand der Welt, über aktuelle Designthemen und auch über sich selbst. Außerdem: Mia Seeger war eine Visionärin ihrer Zeit und es ist mir eine große Ehre, an Ihrem Lebenswerk teilhaben zu dürfen. 

 

Und was hat Sie beim Mia Seeger Preis besonders begeistert? 

Es ist erfreulich, dass sich immer mehr Absolventen*innen damit beschäftigen, wie sich ihre Gestaltungsarbeit auf die Gesellschaft und unsere Umwelt auswirkt. Das spiegelt sich nicht nur in der vielfältigen Themenwahl der Einreichungen wieder, sondern auch darin, dass etliche Arbeiten sehr umfassend auf akute gesellschaftliche Fragestellungen und Missstände reagieren. Grundsätzlich hat mich sowohl diese Vielfalt an Einreichungen als auch die Diskussion um ihre Relevanz sehr begeistert und angeregt.

 

Muss Design künftig mehr Verantwortung übernehmen für Gesellschaft und Umwelt? 

Ich würde sogar so weit gehen und sagen: Wir müssen Design in Zukunft mehr Verantwortung zusprechen. Also ein klares JA! Mit Hilfe guter Gestaltung lassen sich Antworten auf die drängenden Herausforderungen unserer Zeit finden. Langfristige und ganzheitlich gedachte Gestaltungsprozesse können im besten Fall zu den großen notwendigen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen beitragen. Designer*inne und Gestalter*innen, aber auch jeder einzelne von uns, sollte Verantwortung in seinem Tun und Handeln übernehmen. Das Potenzial von Design und Gestaltung ist dabei sehr groß – wir sollten es nutzen! 

 

Und wie kann es das tun?

Ich glaube, dass viele Potenziale im Design hinsichtlich Themen wie Gesellschaft und Nachhaltigkeit in einer guten Recherche sowie einem Fokus auf den Design- bzw. Gestaltungsprozess liegen. Aktuell steht das Endprodukt noch zu oft im Vordergrund. Erst wenn man beispielweise Kontexte und Systeme versteht, sich eines Wertesystems bewusst ist und dieses mit eindenkt, Nutzer*innen kennt und Infrastrukturen verstanden hat, zeigt sich, wie sinn- oder wirkungsvoll eine Lösung ist. Grundsätzlich hilft natürlich auch eine Sensibilität für aktuelle gesellschaftliche Themen und ein stetiges Hinterfragen des eigenen Tuns.

 

Welche Skills und Fachkompetenzen sollten sich Designstudierende mit Blick auf ihre Zukunft unbedingt aneignen?

Grundsätzlich fällt mir auf, dass es Designstudierenden oft schwer fällt, ihre Arbeiten vor allem in Bezug auf Nutzungskontexte, Funktionen und Fähigkeiten sowie die intendierten Wirkungen zu beschreiben. Neben der Kompetenz, gute Recherchemethoden zu erlernen und ein Verständnis für ganzheitliche Prozesse und Systeme zu haben, sehe ich das Beschreiben und somit auch das Verständnis der eigenen Arbeit als eine sehr wichtige Kompetenz an. 

 

Müssen wir also Design neu definieren?

Wir sollten alle Disziplinen regelmäßig darauf prüfen, ob sie unserer Gesellschaft und der Zukunft unserer Welt Sorge tragen. Die Tatsache, dass immer mehr Diskurse, aber auch Studiengänge rund um das Thema „Transformationsdesign” entstehen, zeigt klar, dass sich der Designbegriff wandelt. Diese neuen Aspekte tun dem Design gut, aber es darf nicht darum gehen, die handwerklichen Aspekte der Designausbildung oder eine formalästhetische Ausbildung in Frage zu stellen.