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15.04.2021

Der wichtigste deutsche Design-Nachwuchspreis

Der wichtigste deutsche Design-Nachwuchspreis

Drei von acht Preisträger*innen kamen 2020 von der HTW Berlin – ein Interview mit Prof. Pelin Celik über die Relevanz von Awards

Die große Feier steht noch aus, aber sie wird kommen – sobald es Corona erlaubt, kündigt Pelin Celik lachend an. Der Anlass: 2020 wurden gleich drei Bachelorbeiten aus dem Studiengang Industrial Design der HTW Berlin mit einem Mia Seeger Preis ausgezeichnet – ein ganz besonderer Erfolg. Pelin Celik begleitete als Erstbetreuerin Nadja Skorov und Lucas Balcilar, Lena Jacobi als Zweitbetreuerin.

Seit 2017 ist Pelin Celik an der HTW als Professorin im Studiengang Industrial Design und Systemic Design mit Schwerpunkten wie Human Experience Design und Partizipation dabei. Und: 2006 war sie selbst Mia Seeger Preisträgerin. Mit „Senso“ entwickelte sie, damals Absolventin der Hochschule Coburg, interaktive Wearables für Demenzkranke. „Senso“ sollte mit visuellen, haptischen, akustischen und olfaktorischen Informationen die Erinnerung stimulieren.

 

Drei Preise auf einen Schlag – wann wird gefeiert?
Sobald es möglich ist! Wir wollen die Erfolge auf jeden Fall nachfeiern, mit einer großen Ausstellung und der offiziellen Verabschiedung der Absolvent*innen. Denn die musste bislang leider auch ausfallen. Außerdem können wir das zehnjährige Bestehen unseres Studiengangs Industrial Design bejubeln.

War dieser Dreier-Erfolg Zufall?
Wir haben hier viele Studierende, deren Ideen und Arbeiten zu Mia Seeger passen. Dazu kommt, dass wir im Studienfach ‚Designpraxis‘ nicht nur praktische. ehrenamtliche oder soziale  Arbeiten verlangen, sondern auch die Teilnahmen an Awards. Das fordert die Studierenden, ihre Arbeit auf den Punkt zu bringen.

Sind Auszeichnungen auch für die jeweilige Hochschule wichtig?
Ja, natürlich. Erfolgreiche Absolvent*innen können ein Indiz für die inhaltliche Qualität der Hochschule sein. Insofern sind Auszeichnungen wie der Mia Seeger Preis für uns relevant. Es gibt zwar kein richtiges Ranking zwischen den Hochschulen, aber man schaut schon gerne mal, wer bei den Awards wie abgeschnitten hat. Ich denke, das tun auch Studienanfänger*innen. Awarderfolge dienen als eine Art Entscheidungshilfe, an welcher Hochschule man sich anmeldet.

Wie motivieren Sie die Student*innen, an Awards teilzunehmen?
Wichtig sind Terminerinnerungen, das machen wir regelmäßig auch nach den Bachelor-Kolloquien. Denn die Student*innen sind in dieser Phase so auf ihre Arbeit fokussiert, dass sie alles andere ausblenden.

Haben Designawards womöglich Einfluss auf die Auswahl eines Bachelorthemas?
Das konnte ich bislang nicht beobachten. Ich denke, das passiert auch nicht, denn die Prioritäten der Student*innen liegen auf den Themen, da wird das Herzblut reingesteckt. Als Hochschule fördern wir zwar Themenschwerpunkte, aber nicht im Hinblick auf Wettbewerbe. Das wäre aus meiner Sicht nicht sinnvoll.


„Es gibt zwar kein richtiges Ranking zwischen den Hochschulen, aber man schaut schon gerne mal, wer bei den Awards wie abgeschnitten hat.“ 


Was charakterisiert den Mia Seeger Preis aus Ihrer Sicht?
Er ist für mich sehr authentisch und der wichtigste deutsche Nachwuchspreis im Design. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass eine unabhängige Stiftung hinter ihm steht, die das Anliegen von Mia Seeger, den sozialen Anspruch des Designs, hoch hält. Die Verbindung zur Person von Mia Seeger spielt für mich eine große Rolle.

Wie war das für Sie, damals als Preisträgerin?
Es gibt da zwei Ebenen. Die eine, das betonen die Preisträger*innen ja immer, ist die, dass sie ein relevantes Feedback von außen bekommen, von einer Jury, die unbefangen auf die Arbeit blickt und diese würdigt. Daneben macht sich ein Preis gut im Lebenslauf. Für mich war die Auszeichnung bei der Jobsuche 2006 sehr hilfreich, mich hat damals Horst Diener persönlich angesprochen und mir einen Job angeboten.

 

Was bedeutet für Sie ‚Social Design‘?
Das ist für mich ein ganz wichtiger Begriff. Während meines Studiums haben wir von ‚Inclusive Design‘ gesprochen, von der Gestaltung gesellschaftlicher Teilhabe. Das ‚Social Design‘ von heute ist im Prinzip identisch, es geht letztlich darum, dass wir als Designer*innen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen müssen und uns dieser Rolle immer bewusst sein sollten. Erstmals ist mir ‚Social Design‘ übrigens begegnet, als ich innerhalb eines Forschungsprojektes Kollegen aus dem dänischen Aarhus kennengelernt habe, die dort einen neuen Master-Studiengang in Social Design begründet haben.

Ich habe das Gefühl, dass die Designpraxis diesen sozialen Anspruch etwas aus dem Auge verloren hat.
Das Design von heute ist stark auf Produkte fixiert, doch Design hat viel mehr zu bieten. Zum Beispiel die Fähigkeit, Prozesse zu hinterfragen und dabei mit Unsicherheiten kreativ umzugehen. Systemic Design wird sehr wichtig werden, es geht dabei um die Veränderung von Prozessen, darum, diese nachhaltiger, dynamischer und flexibler zu gestalten. Denn das hat die Pandemie offenbart: unsere Abläufe sind zu starr. Systemic Design kann auch auf kommunaler Ebene wirken. Deshalb bieten wir auch seit drei Semestern den neuen Master-Studiengang System Design an.


„Systemic Design wird sehr wichtig werden, es geht dabei um die Veränderung von Prozessen, darum, diese nachhaltiger, dynamischer und flexibler zu gestalten.“